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05.03. – 07.03.2003 

Auf der ‚Liemba’ gen Süden

 

John’s ‚bridge’, ein viel zu dünnes Seil und am Ende alles gut…

Nicht ohne banges Gefühl starteten wir in diesen Tag. Zwar waren wir in Besitz gültiger Tickets, sogar 1. Klasse. Zwar war die Mitnahme des Autos geklärt und ebenfalls bezahlt. Doch wir waren in Afrika. Was konnte nicht alles noch schief gehen…!

Nach einem kurzen Frühstück fuhren wir erneut zum Hafen. Da lag sie, die große, alte Dame! Klar, verglichen beispielsweise mit den Ausflugsdampfern auf der Elbe, wirkte sie eher klein. Aber was hatte dieses Schiff nicht alles erlebt! Für einen kurzen Moment verspürten wir die Aura einer vergangenen Zeit…

Dann gingen wir erneut zum Hafenmeister. Wir hatten vereinbart, uns am Vormittag einzufinden, um die Verladung des Autos zu besprechen.

‚Show me your car.’ Etwas gelangweilt trat er vor die Baracke. Als er unseren ‚schlanken’ 2-Tonner erblickte, huschte ein kurzes Runzeln über seine Stirn. ‚This is your car?’ Genau, und das hätten wir gern im Handgepäck! ‘O.k., ask the first officer!’ Wir gingen also zurück zum Schiff, und unsere Zuversicht sank auf den Nullpunkt. Die einzige Möglichkeit, das Auto an Bord zu bringen, stellte ein vermutlich ebenfalls 90 Jahre alter Schiffskran mit einem vermutlich nicht viel neueren Stahlseil dar. Wie sollte das gehen?? Wir fragten den ‚first officer’. Der war, nach dem er ebenfalls unser Fahrzeug beäugt hatte, guten Mutes. Fast hatte man den Eindruck, er freute sich darauf, endlich mal wieder was ‚Richtiges’ am Haken seines Krans zu haben. ‚No problem, mister!’ Was denn der Kran heben kann, wollte ich wissen. Na, schon so um die 2 Tonnen. ‘Approximately’. Aha, so ungefähr! Wie schwer ist denn das Auto. Jetzt musste ich im Ungefähren bleiben, denn in den Papieren stand nichts. ‚2 tons. Approximate.’ Er lachte. ‚Let’s try, mister. No problem.’  Nun gut. Was sollten wir tun? Zurückfahren? Alles abbrechen? Oder diesem alten Fahrensmann vertrauen, der offensichtlich dem afrikanischen Prinzip von ‚Versuch und Irrtum’ folgte?

Sei’s drum. Wir ließen uns drauf ein. Der Hafenmeister wartete noch auf uns, hatte wohl auch die Entscheidung des first officer abgewartet. Jetzt sollten wir noch zu ‚John’, wegen der ‚bridge’, die gebaut werden müsste. Ich schaute ihn fragend an. ‚You need a bridge’, und schwups stand ein junger Bursche in rotem T-Shirt bei uns, John. Wir wieder zurück zum Schiff, und John erklärte uns, dass der Ausleger des Krans, welcher  steuerbordseitig, also rechts, auf dem Vorschiff stand, nicht bis zur Kaimauer, an welcher das Schiff backbordseitig lag, reichen würde. Er müsste somit mit Kollegen eine ‚bridge’ vom Ufer bis an die Reeling heran bauen, damit uns der Kran an den Haken nehmen könnte. Nun gut, dann baut eben. Ich hätte ja einfach das Schiff steuerbords anlegen lassen, aber was soll’s. Als ich den Preis hörte, den John für die Erbauung der ‚bridge’ verlangte, sah ich es nicht mehr so locker. 100 Dollar! Das war ebensoviel, wie wir bereits für das Ticket bezahlt hatten und dürfte in ungefähr dem 10fachen Wochenlohn eines normalen Arbeiters entsprechen. Es tat nicht nur unserer Reisekasse weh, ich fand es schlichtweg unverschämt. Hilfesuchend wandte ich mich an den neben uns stehenden Hafenmeister und verwies auf die schon bezahlten Tickets. ‚Yes mister, but only for shipping, not for loading, so sorry..’ Ich war stinksauer. ‘Abzocke’ schoß es mir durch den Kopf. Keinesfalls wollte ich das Geld bezahlen, ich war wild entschlossen. Der Hafenmeister meinte, wir könnten ja auch mal im Militärhafen nachfragen, die hätten einen großen Kran. Die ‚Liemba’ würde schon dort vorbeifahren, extra wegen uns. Aber unter 150,- Dollar machen die’s auch nicht. Toll!! In den Hafen fahren für 150,- Dollar ginge, das Schiff einfach drehen ist aber völlig unmöglich! Ich brach die Verhandlungen ab, hatte wirklich Lust, die Tickets zurückzugeben. Dann geht’s eben doch zurück. Ein Frage der Ehre! Wir beratschlagten uns eine Stunde, rauchten mehrere Zigaretten, und als sich mein Gemüt wieder etwas beruhigt hatte, gaben wir uns John und Konsorten geschlagen. Der Preis bestimmt die Nachfrage, und wir wollten schließlich auf dieses Schiff…

 

Wir räumten unser Zimmer in der Aqua Lodge, ruhten noch etwas am Strand und waren gegen 13 Uhr wieder an der Kaimauer. Jetzt herrschte bereits reges Treiben. Träger schleppten säckeweise Lasten an Bord. Nochmal so viele schienen gekommen zu sein, um kluge Ratschläge zu geben. Und unsere ‚bridge’ war im Entstehen! Sie bestand aus ein paar vom Ufer auf die Reeling gelegten  Eisenbahnschienen, welche vorsorglich gleich nebenan lagerten. John und seine Jungs waren gerade dabei, schwere Holzbohlen aufzulegen, und irgendwie sah es tatsächlich fast wie eine richtige Brücke aus. Naja, für 100 Dollar.. Wir gingen an Bord, der first officer nahm uns in Empfang. Wir bezogen  unsere ‚first class’ Kabine auf dem Oberdeck. Eigentlich war es nichts weiter, als ein kleines, fensterloses Kabäusterchen, darin ein Doppelstockbett und immerhin ein kleines Waschbecken. Schmucklos, aber sauber. Und im Vergleich zu dem, was man im Inneren des Schiffs als 2. oder 3. Klasse bewohnte, in der Tat ‚first class’. Wir warens zufrieden!

Doch jetzt kam der spannendste Teil des Tages. Wir kehrten zurück zum Auto, die Brücke müsste fertig sein. John wartete bereits auf uns, es könne losgehen. Doch der Baufortschritt war gleich null, höchstens die Hälfte der Länge, vom Ufer aus beginnend, war ‚beplankt’. Ein Scherz? Sabotage? Nochmal 100 Dollar?? Nein, nein. Das Prinzip bestand darin, auf die Brücke zu fahren. Die Beplankung reichte knapp eine Fahrzeuglänge. Dann wird hinten weggenommen und vorne angestückelt, bis man die Reeling erreicht. Ach ja, nach diesem Prinzip haben die Ägypter an den Pyramiden gebaut. Na und? Die stehen ja schließlich noch.. Mir war jetzt alles egal. Soll doch passieren, was passieren soll. Vorsichtig und Zentimeter um Zentimeter tuckerte ich mit Eisenschwein auf Johns ‚bridge’. Die Arbeiten rundherum ruhten, alle beobachteten gespannt die Verladeaktion. Bremsen, hinten drei Bohlen weg, vorne angelegt, bloß nicht zurückrollen!! Langsam näherte ich mich der Reeling und der Reichweite des Kranauslegers. Geschafft. Routiniert wurden die Lastträger unter die Räder geschoben, und schon hing unser Geländewagen am Haken. Ich ging auf’s Oberdeck und wusste noch immer nicht, ob ich das, was jetzt kam, wirklich sehen wollte. Das Seil spannte sich, es spannte sich, und spannte sich, die Kranwinde ächzte, und – Tatsache, die Kiste schwebte über dem Boden. Gebannt blickte ich auf das Stahlseil. Es war dünn, sehr dünn, unmittelbar über dem Haken auch schon etwas aufgedröselt. Der ‚first officer’ hob unser Eisenschwein höher und höher. Er wirkte konzentriert, sehr konzentriert. Angespannt? Langsam schwebte das Auto Richtung Deck. John und Kollegen sprangen herbei, um es zentimetergenau vor der Ladeluke einzupassen. Langsam abwärts. Langsam! Uff. Geschafft. Es war tatsächlich gut gegangen. Die große schwarze Kiste stand auf dem Vorschiff! Was für eine Erlösung!! Nicht nur, dass das Seil hielt. Unser kühner Plan, mit der Liemba gen Süden zu reisen – jetzt wussten wir, dass er gelingt. Die großen Parks des Südens, der Malawi-See – der Weg war frei. Ein unglaubliches Glücksgefühl. Und noch 3 Tage faszinierende Fahrt auf diesem alten, ehrwürdigen Klepper lagen vor uns. Pfeif auf die 100 Dollar! Das war die beste Brücke, über die ich je gefahren bin. John grinste zu mir herauf. Ja, du verschlagener Kerl, hast dir das Geld verdient.. Zigarette, ruhiges Eckchen, entspannt beobachteten wir die restlichen Verladearbeiten. Wir hatten jetzt unendlich viel Zeit…

 

Gegen 16:30 Uhr war das Schiff schließlich beladen. Die Arbeiter gingen von Bord und zum ersten Mal spürten wir das Vibrieren der Schiffsmotoren. Langsam schob sich die ‚Liemba’ vom Kai, drehte gemächlich in der Bucht und steuerte schließlich hinaus auf den See. Wir nahmen Abschied von Kigoma, grüßten noch einmal hinauf zum ‚Hilltop’, hinüber zur ‚Aqua Lodge’ und zu den Hügeln, die in der Abendsonne kleiner und kleiner wurden. Die Reise begann…

 

 

 

 

'Große Fahrt' in ein einmaliges Abenteuer

Mit an Bord waren noch 4 Norweger, deren Landrover in ebenso abenteuerlicher Weise neben dem unseren zum Stehen kam. Einer von ihnen arbeitete als Techniker in Arusha, und er hatte das Auto zwecks dieser Tour mit seinen angereisten Freunden von einer Safari-Agentur gekauft. Wie wir erfuhren, musste er zwecks Brückenbau den gleichen Obolus wie wir an John entrichten. Ein lohnendes Geschäft, fürwahr… Weiterhin gab es noch einen deutschen Ingenieur, der auf dem Weg zu den Schimpansen in den Mahale Mountains war. Und schließlich einen grauhaarigen, schlacksigen, wuseligen, aber sehr netten Holländer. Als ehemaliger Manager hatte er irgendwann genug Geld, kein Lust mehr auf’s managen und arbeitete seither in einem Hospiz. Die Afrikareise hatte er ursprünglich irgendwo im Norden mit seiner Frau begonnen. Die hatte jedoch nach 6 Wochen genug, flog heim, und er zog allein weiter über Ruanda und Burundi nach Tansania. Irgendwie wollte er es in den nächsten 2 Wochen bis zu einem gottverlassenen Ort  in Mocambique schaffen, wo er an einem Donnerstag unbedingt an einem Gottesdienst teilnehmen wollte. Schräge Typen, aber es stellte sich schnell eine gewisse Vertrautheit ein.

Die Sonne ging unter, und über den Bergen des Kongo am gegenüberliegenden Ufer färbte sich der Himmel glutrot. Bis auf das Stampfen der Schiffsturbinen war es still an Bord. Wir saßen an Deck und genossen das Schauspiel.

Dann traf man sich im zentralen Teil des Oberdecks zum Abendessen. Zur Wahl standen Fisch oder Huhn. In der Mitte an einer langen Reihe zusammengestellter Tische saß die Mannschaft. Vom ölverschmierten Heizer bis zum ‚first officer’, es ging sehr zünftig zu. Drumherum ein kunterbuntes Wirrwarr. Frauen in farbenprächtigen Kleidern, mit Kind, mit vielen Kindern, ohne Kinder. Alte Frauen, junge Männer, alte Männer, kleine und große Familien. Sie kamen aus allen Ecken Ostafrikas, vor allem aber aus dem Kongo und Burundi. Es wurde geschwatzt, gelacht, Reis geknetet, und wir gehörten ohne viel Aufhebens einfach mit dazu. Wir nahmen Platz an einem Tisch am offenen Fenster. Der Reis war wie gesagt zu kneten, deshalb die Frage nach einer Gabel überflüssig. Die Hühnerknochen flogen einfach durchs offene Fenster hinaus in die Nacht und wurden dem See übergeben. Obacht nur, dass nicht gerade jemand vor dem Fenster vorbeipromenierte.. Was für ein bunter Trubel. Welche einfache, unvergleichliche, unbeschwerte Art des Reisens.

Völlig zerschlagen krochen wir in unsere Kajüte. Noch eine Weile hinderte uns der ausgelassene Lärm an Bord am Einschlafen, doch irgendwann war die Müdigkeit stärker. Dann, irgendwann mitten in der Nacht, wieder helle Aufregung an Bord. Die Schiffssirene, Stimmen, lautes Rufen, wir hatten den ersten Haltepunkt der ‚Liemba’ erreicht. In tiefer Dunkelheit wurden Waren an Bord gebracht, weitere Passagiere an Deck geholt, bis nach etwa einer Stunde wieder Ruhe einkehrte und wir erneut zum sanften Grummeln der Schiffsdiesel entschlummerten.

 

Der nächste Morgen war strahlend schön. Wir nahmen ein kleines Frühstück, eine Tasse Kaffee und suchten uns ein ruhiges Plätzchen auf dem Oberdeck. Langsam zog die Landschaft an uns vorbei. Welch eine Wohltat nach dem Trubel des letzten Tages. Dann war es wieder soweit. Die Schiffssirene dröhnte über den See und der Anker wurde zu Wasser gelassen. Vom nahen Ufer näherten sich gut ein dutzend kleine Boote, vollbeladen mit Bananenstauden, Zuckerrohr, verschiedensten Gemüsen und diversen anderen Dingen. Es entbrannte ein Kampf um die besten Plätze längsseits des Schiffes und dann wurde in Windeseile entladen, beladen, gefeilscht, geschimpft. Auf abenteuerliche Art wurden neue Passagiere an Bord gehieft, andere, die ihr Ziel bereits erreicht hatten, wurden von hilfreichen Händen in die Boote hinabgelassen. Gelegentlich ging das schief, und man landete im Wasser. Doch das war ja nicht die Nordsee, und niemand nahm Schaden. Wenigsten eine Strickleiter wäre hilfreich gewesen, aber es ging ja auch so. Afrika eben.. Am Bug des Schiffes machten größere Holzkähne fest. In großen Netzten hiefte der Schiffskran dutzende Säcke mit getrockneten Dagaa-Fischen an Bord, die rund um unsere Autos gestapelt wurden. Mit jedem Stop verschwand unser Eisenschwein weiter zwischen den weißen Jutesäcken, am Ende sahen wir eben noch das Dach herausschauen. Der Geruch erinnerte an Trockenfutter für Fische oder an Hundepellets und kann als rechts eindringlich bezeichnet werden. Es war ein schwimmender, bunter Markt, der nach einer knappen Stunde, wenn die Schiffssirene zum Aufbruch tönte, ebenso schnell ein Ende hatte, wie er begann. Schnell kehrte danach wieder Ruhe ein an Bord und ein gewisser, angenehmer Müßiggang machte sich erneut breit. Bis zum nächsten Stop…

So war der Tage erfüllt von himmlischer Ruhe und einem immer auf’s neue faszinierend chaotischen Treiben. Am Nachmittag stopte die Fahrt. Es passierte nichts, über Stunden. Erkundigungen ergaben, dass man auf eine Lieferung Bohnen wartete, die an Bord sollten. Es kamen keine Bohnen, und nach vielleicht 6 Stunden tuckerten wir schließlich weiter. Den ‚Fahrplan’ hatten wir bereits um mehr als 10 Stunden überschritten, aber es kümmerte uns nicht ‚die Bohne’…

Im gleichen Rhythmus verging der Abend und die nächste Nacht. Wir standen noch eine ganze Weile in der lauen Abendluft und schwatzten mit unserem holländischen Freund. Der Ingenieur hatte am Nachmittag einen kleinen Holzkutter bestiegen und sich zu den Mahale Mountains übersetzen lassen.

Irgendwann um 2 Uhr in der Nacht verstrich die planmäßige Ankunftszeit in Kasanga, doch wir waren noch mehr als eine halbe Tagesreise von unserem Ziel entfernt. So blieb uns fast ein weiterer voller Tag an Bord, von dem wir jede Minute genossen. Irgendwann hatten wir die mit 1.400 m tiefste Stelle des Sees und damit gleichzeitig den tiefsten Punkt Afrikas passiert. Wir waren also nicht nur auf dem höchsten Punkt des schwarzen Kontinents, unsere Reise führte uns auch an seine tiefste Einkerbung. Wie mochte es in diesen Tiefen aussehen? Viel Zeit blieb zum Sinnieren, während man in die glasklaren Fluten dieses wundervollen Sees blickt.

 

Und dann, irgendwann am späten Nachmittag, sahen wir die Ruine der alten deutschen Festung von Kasanga, dem ehemaligen Bismarckburg am Horizont auftauchen. Legendärer Widerstand der deutschen Schutztruppe gegen die vorrückenden Belgier und Briten, an dessen anfänglichen Erfolgen auch die Geschütze der ‚Graf von Götzen’ einen wesentlichen Anteil hatten, werden von diesem Ort berichtet.

Diese letzte Station auf tansanischem Gebiet und vorletzter Haltepunkt vor Mpulungu am sambischen Südende des Sees nimmt sich eher bescheiden aus. Ein kleines Hafengebäude, ein paar schmucklose Häuser, weiter nichts. Als wir anlegten warteten 20 oder 30 blau-weiß uniformierte Schulkinder auf eine Besichtigung des Schiffes. Und noch ehe das Schiff richtig vertäut war, mischten sie sich in heller Begeisterung in das jetzt anbrechende Chaos der Entladearbeiten. Wie auf einem Basar wurden die größten Teile des an Bord befindlichen Dagaa-Fisches versteigert und gleich an die neuen Besitzer verteilt. Der Officer drängte zur Eile, 16 Stunden Verspätung waren wohl auch ihm etwas viel. In langen Reihen strömten die Lastenträger von Bord, der Laderaum und auch das Vorschiff leerten sich langsam, Stück um Stück tauchte unser Eisenschwein wieder auf aus den aufgetürmten Säcken mit Trockenfisch. Schließlich war das Vorschiff geräumt, und die beiden Autos wurden erneut an den Haken des Krans genommen und sachte am Kai abgesetzt. Diesmal beobachteten wir das Geschehen deutlich entspannter. Zumal – es ging eben auch ohne ‚bridge’… Unter den aufmerksamen Blicken vieler Neugieriger verluden wir unsere Habseeligkeiten. Die Norweger planten den gleichen Weg nach Sumbawanga, und weil wir uns gut verstanden, aber auch wegen der hereinbrechenden Dunkelheit und der noch gut 100 km, die vor uns lagen, beschlossen wir, die Reise gemeinsam, quasi ‚in Kolonne’ fortzusetzen.

Die Schiffsdiesel der ‚Liemba’ begannen wieder zu rumoren. Zeit, sich von unserem Holländer zu verabschieden. Er war so herzlich wie konsequent. Unsere Bitte, sich doch mal zu melden, so er irgendwann wieder heimkehrt, lehnte er konsequent ab. ‚Keine Obligationen. Wenn es das Schicksal will, sieht man sich wieder.’ Ein eigenwilliger Bursche. Während unsere Autos den Hügel hinaufkrochen, stand er noch lange vor dem Schiff und winkte, bevor ihn das ungeduldige Dröhnen der Schiffsirene an Bord bat. Die Anhöhe gab noch einmal den Blick frei auf den See. Und im Licht der untergehenden Sonne glitt die ‚Liemba’ wieder hinaus, wurde kleiner und kleiner und verschwand schließlich am Horizont. Mach’s gut, große, alte Dame. Und danke für eine unvergessliche, wunderbare Reise…

 

 

ulf.hagen@web.de